Kurzwellen-Sender Zeesen
Zeesen war bis 2003 eine selbstständige Gemeinde, heute ist es ein Ortsteil von Königs Wusterhausen. 1927 wurde in Zeesen der deutsche „Kurzwellensender“, der „Weltrundfunksender Zeesen“, eingeweiht. Er war bis 1945 in Betrieb. Dann wurden die Anlagen von den Russen demontiert und die Sendehäuser gesprengt.

(Quelle FunkAmateur 4/94; S. 268-270)

Aus der Geschichte des deutschen Kurzwellen-Rundfunks

Der ,,Weltrundfunksender“ Zeesen

GERHARD DAMM – DL1RWD

Von 1929 bis 1945 arbeitete in Zeesen, am südöstlichen Stadtrand von Berlin, einer der leistungsfähigsten Kurzwellenrundfunksender der damaligen Zeit. Unser Beitrag informiert Sie über Vorgeschichte, technische Ausstattung und Entwicklung dieses“ Weitrundfunksenders “ ebenso wie über seine politische Bedeutung.

Der offiziellen Eröffnung des KurzwellenRundfunkdienstes in Deutschland im Jahr 1929 gingen zahlreiche Aktivitäten zur Erkundung der Brauchbarkeit der Kurzwellen für den internationalen Betrieb voraus.
Zu dieser Erkundung gehörten auch die Arbeiten einzelner international bekannter Wissenschaftler, aber auch die von Funkamateuren, vorrangig der USA. Die Industrie einschließlich nationaler Postverwaltungen, so auch die deutsche, zeigten erst Interesse am Einsatz der Kurzwellen, nachdem sich deren Brauchbarkeit im Ergebnis o. a. Erkundungen herauszustellen begann. Bis dahin verwendete man Frequenzen im Lang- und Mittelwellenbereich. Zum Glück für die Funkamateure, denen man die „unbrauchbaren“ Kurzwellen zugestanden hatte. Wer weiß, ob es sonst heute Kurzwellen-Amateurfunk und damit weltweiten Funkverkehr geben würde.

Marconi führte 1916 erste Versuche mit gerichteten Kurzwellen durch, gefolgt von Franklin in England, der 1919 mit Sprachübertragungen im Kurzwellenbereich experimentierte. Von seiten der Funkamateure waren es die Amerikaner, deren Sendungen in Europa erstmalig am 8. Dezember 1921 zu empfangen waren. Leon Deloy, ein französischer Funkamateur, überbrückte 1923 den Atlantik von Europa nach USA. Und dies ohne „Funkwetterprognose“.
Und wie so oft in der Geschichte der technischen Erfindungen und Entwicklungen, half der Zufall den Beteiligten auf die Sprünge. Anläßlich der Eröffnung einer kommerziellen Funkstation in Argentinien versagte der Empfang des deutschen Langwellensenders in Nauen infolge starker atmosphärischer Störungen. Ein beteiligter Telefunken-Ingenieur verwies auf die Tatsache der Erfolge amerikanischer Funkamateure bei der Nutzung der Kurzwelle. Es mag kurios klingen, aber diese Ereignisse veranlaßten die Firma Telefunken, einen Kurzwellensender zu entwickeln und in Nauen in Betrieb zu nehmen. Mit 800 W HF-Leistung liefen ab Juli 1924 Telegrafieverbindungen mit Südamerika.

Diese und weitere Erfolge veranlaßten die damalige Deutsche Reichspost. sich mit zielgerichteten Versuchen zur Anwendung der Kurzwellen für den Rundfunkdienst zu befassen. Dazu muß man wissen. daß andere europäische Länder. z.B. in England die BBC, Mitte der 20er Jahre mit der probeweisen Aussendung von Rundfunkprogrammen im Kurzwellenbereich begonnen hatten. Der Kurzwellenrundfunk wurde daher nicht nur zur technischen, sondern zur nationalen Prestigefrage.

Vom bislang für Rundfunk-Sendungen genutzten Standort Königs Wusterhausen – die offizielle Eröffnung des deutschen Rundfunks erfolgte bekanntlich am 15. Oktober 1923, der Deutschlandsender nahm seinen Betrieb am 11. August 1925 auf erfolgten ab 1. September 1926 Rundfunksendungen auf Kurzwelle.
Der Sender, von Telefunken erbaut. strahlte seine Leistung von 250 W über eine einfache Schrägdrahtantenne ab. die in die bestehenden Antennentragmasten Integriert war.

Ursprünglich war vorgesehen. auf dem damals bereits vorhandenen Mittelturm (volkstümlich: der Dicke) zusätzlich einen Vertikalstrahler aufzusetzen. Dies scheiterte aber letztlich an politischen Bedingungen. Deutschland war es im Gefolge des ersten Weltkrieges u. a. untersagt, Gebäude zu errichten, die die Höhe des Eiffelturmes übertroffen hätten. Und dies wäre in Königs Wusterhausen der Fall gewesen.

Teilansicht des ersten KW-Antennensterns mit 70-m-Türmen.
Ganz links der 70-m-Holzturm mit dem KW-Rundstrahler,
Mitte ein 210-m-Mast für LW (1934)

Die Funksendestelle in Königs Wusterhausen war zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr erweiterungsfähig, Bereits der Deutschlandsender 11 (LW) war 1927 auf dem von der Reichspost erworbenen Gelände des luftfahrttechnischen Unternehmens SchütteLanz (Luftschiffbau und Flugplatz) in Zeesen in Betrieb gegangen. So erteilte die Reichspost 1928 den Auftrag auf diesem Flugplatzgelände in Zeesen einen Kurzwellensender hoher Leistung zu errichten. Den Auftrag erhielt die Firma Telefunken.
Den ersten KW-Sender errichtete Telefunken im Haus 4 (Haus 1 bis 3 befanden sich in Königs Wusterhausen) am Standort des Deutschlandsenders 11. Die Leistung dieses KW-Senders war für damalige Zeiten recht respektabel, sie betrug 5 kW, später 8 kW. Der Sender war siebenstufig aufgebaut und bestand aus dem Quarzoszillator, gefolgt von Verstärkerund Vervielfacherstufen. Die Endstufe enthielt bei der 5-kW-Ausführung eine RS 225, bei der 8-kW-Ausführung zwei RS 225. die mit einer Anodenspannung von 10 kV betrieben wurden. Die Modulation erfolgte in der Treiberstufe. Das Antennenteil war für den Frequenzbereich von 3 bis 20 MHz ausgelegt und diente zur Anpassung der bescheidenen, 75 m langen Eindraht-Vertikalantenne, die zu einem der beiden 210-m-Masten für den Deutschlandsender führte.

Für die gesamte Energieversorgung des KW-Senders benötigte man zehn Maschinensätze (plus zehn als Reserve). Diese bestanden aus Hochspannungsumformern und Gleichstromgeneratoren. z. B. für die Heizung. Die Endröhren waren mit Regenwasser druckgekühlt. Der Sender arbeitete nach der offiziellen Inbetriebnahme vorerst auf zwei Frequenzen: 6,02 und 9,56 MHz. Höhere Frequenzen wurden für den Rundfunk erst ab 1932 freigegeben.
Die für damalige Verhältnisse große Reichweite des Senders, die den Sendern Eindhoven (Niederlande) und Schenectady (USA) in nichts nachstand, führte bei der Eröffnung am 26. August 1929 zu der Namensgebung „Weltrundfunksender“ bzw WeltrundfunkKurzwellensender“. 1930 erfuhr die Antennenanlage entscheidende Verbesserungen. Der Bau eines 70 m hohen Holzturms(!) ergänzte den vertikalen Drahtstrahler. Vierfach gestockte Dipole in vier Richtungen wurden um den Turm herum angebracht. Durch diese Dipolkombination erreichte man einen günstigen vertikalen Öffnungswinkel sowie einen Erhebungswinkel von 10′. Der Antennengewinn soll 9 dB betragen haben.

Die erste Richtantenne, im Januar 1932 für Nordamerika in Betrieb genommen, erzielte eine horizontale Bündelung von 30′. Der Leistungsgewinn betrug knappe 17 dB! Sie bestand aus einer Gruppe von 24 Dipolen plus Reflektoren. Bis zum Jahr 1934 wurden zehn derartige Richtantennen an elf Stahlgittertürmen von je 70 in Höhe angebracht. Sie versorgten die Gebiete Nord-, Mittel- und Südamerika, Ostasien und Afrika im Frequenzbereich von 6 bis 17 MHz.
Ein zweiter quarzgesteuerter Sender mit 5 kW kam 1932 hinzu. Er war achtstufig konstruiert, verwendete zwei Röhren RS 255 und war wie Sender 1 gittergleichstrommoduliert.

Strahlten die Sender bislang Landesprogramme anderer Sender ab, so erfolgte ab 1933 durch die damalige Reichsrundfunkgesellschaft eine gesonderte Programmgestaltung. Sie war eigens für die Hörer im Ausland bestimmt und stand voll im Zeichen der gesellschaftspolitischen Lage in Deutschland.
Was Wunder, daß dies auch zur weiteren Ausstattung des Senders in Zeesen führte. So nahm 1935 ein weiterer KW-Sender des Typs „Nauen“ (50 kW) mit einer Telefonieleistung von 12 kW seinen Betrieb auf. Dieser Sender arbeitete in der Endstufe mit zwei im Gegentakt geschalteten RS 257, einer Weiterentwicklung der bisher verwendeten RS 225.

Als Besonderheit wies er eine Doppelausstattung mit Schwingkreisen (Variometer) auf, die bei Frequenzwechsel umgestimmt werden mußten. Vorabstimmung verringerte den Zeitraum der Frequenzumstellung in bedeutendem Maße.

Die Umschaltung zwischen Tag- und Nachtfrequenzen sowie andere für die jeweils günstigste Ausbreitung geeignete Frequenzwechsel erfolgten bereits auf der Grundlage von Prognosen des Reichspostzentralamtes.

Einen besonderen technischen Aufschwung erfuhr die Sendestelle in Zeesen in Vorbereitung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Neben dem vorhandenen Senderhaus 4 wurden die Häuser 5 und 6 errichtet. Sie bestanden u. a. aus einem 500 m 2 großen Sendersaal, der vier Sender mit 40 kW Leistung aufnehmen konnte, die Telefunken und Lorenz erbauten. Diese trugen die bekannte Bezeichnung „OlympiaSender“. Eine Kombination von Parallel- und Gegentaktschaltung von vier Senderöhren des Typs RS 257 ermöglichte die hohe Sendeleistung, die man später noch auf 50 kW erhöhte. Außerdem wurde Anoden-BModulation angewandt. Die Sender waren siebenstufig aufgebaut und gestatteten Quarz- und VFO-Betrieb.

Olympiasender“ (50kW) in Zeesen (1935/36)

Neben der Erweiterung der Anzahl der Sender war ein Ausbau der Antennenanlagen erforderlich. Es kamen weitere 13 Stahlgittertürme hinzu, die im Gegensatz zu den vorhandenen elf 70-m-Türme eine Höhe von 100 in aufwiesen. Dadurch war es möglich, eine noch stärkere vertikale Bündelung durch achtfache Dipolstockung zu erreichen.
Während der ersten Kriegsjahre errichtete man in Zeesen bereits in anderen Funkdiensten erprobte Rhombusantennen. Gegenüber den frequenzabhängigen Dipolen zeichnen sich diese durch eine relativ große Frequenzbandbreite und gute Abstrahlungsbündelung aus.

Außerdem ist der Aufbau mit Holzmasten wegen der geringen Aufbauhöhe möglich, was zu Kriegszeiten wohl auch eine Materialfrage ist. Der Aufbau erforderte auch nicht den technischen und materiellen Aufwand wie bei den bereits betriebenen 70 und 100 in hohen Stahlgittertürmen.

1939 kam die Realisierung einer für damalige Verhältnisse sicher spektakulären technischen Entwicklung im Antennenbau hinzu. Auf einem der 70-m-Türme des Antennensterns 1 installierte man einen ausfahrbaren Vertikalstrahler mit Selbstabstimmung, der durch Längenveränderung die Abstrahlung über einen großen Frequenzbereich (5 bis 30 MHz) ermöglichte. Diese Antenne erhielt in Insiderkreisen die Bezeichnung „Papstfinger“, da zuvor eine derartige Konstruktion bei Radio Vatikan errichtet worden war.

In seiner letzten Ausbaustufe bestand der „Weltrundfunksender Zeesen“ aus folgenden Anlagen: neun 50-kW-Kurzwellensendern, einem 12-kW-Kurzwellensender, einem LWSender mit zwei 210-mMasten, 24 Dipolwänden an elf 70-m- und dreizehn 100-mTürmen, dem Vertikalstrahler „Papstfinger“, dem 70-m-Holzturm mit Rundstrahler und vier Rhombusantennen. Drei Senderhäuser ein Dieselhaus und ein Netzumspannwerk schlossen die technische Ausrüstung auf diesem ehemaligen Fluggelände ab.

Am 26. April 1945 stellte der „Weltrundfunksender Zeesen“ seine Sendungen ein. Das Bedienungspersonal entfernte auf Befehl wichtige Einzelteile. Die Anlagen blieben unbeschädigt, um sie im Falle einer „Rückeroberung“ wieder in Betrieb nehmen zu können, woraus bekanntlich nichts wurde. Die sowjetischen Truppen demontierten die Senderund Antennenanlagen im Sommer 1945 und sprengten die Gebäude.
Nach Gründung der DDR nahm auf einem Teil des ehemaligen Sendegeländes, dem Teil des ehemaligen Standortes des Senderhauses 4 für den Langwellen-Deutschlandsender und des ersten KW-Antennensterns, eine militärische KW-Sendefunkstelle ihren Betrieb auf, die z. Z. ebenfalls demontiert wird. Der übrige Teil des Geländes wurde und wird wirtschaftlich benutzt.

Neben dieser rein technischen Betrachtung des Weltrundfunksenders der Zeesen übrigens weltweit bekanntmachte darf eine kurze politische Betrachtung nicht fehlen. War der Kurzwellen-Rundfunkdienst und die Errichtung des Senders in Zeesen (außerdem gab es KWSendezentren in Elmshorn bei Hamburg, Ismaning bei München und Oebisfelde westlich Berlins) zuerst eine technische und nationale Prestigefrage – wie gesagt, andere Länder innerhalb und außerhalb Europas hatten mit der Einführung des Kurzwellenrundfunks für Auslandssendungen bereits begonnen -, wurde er mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 mehr und mehr zum weltweiten Propagandainstrument. Besonders während des zweiten Weltkrieges wuchs diese Bedeutung. Alle kriegführenden Staaten hatten die Rolle des Auslandsrundfunks erkannt. Der internationale Ätherkrieg entstand.
War es vor dem zweiten Weltkrieg noch Hauptaufgabe, die Deutschen im Ausland an die Heimat zu binden. so entwickelte sich der „Deutsche Kurzwellensender“ zum so bezeichneten Fernkampfgeschütz im Äther“. Man sprach von der „Wellenartillerie des Rundfunks und seiner Sendebatterien“. Der „Deutsche Kurzwellensender/ Weltrundfunksender Zeesen seit 1936 Weltspitzenleistung in technischer Hinsicht, war für diese politische Aufgabe bestens geeignet. Einige mir bekannte Insider sprachen gar von der „V 3“.

Die Reaktionen im Ausland wiesen eine breite Palette auf. Sie reichten z. B. von Deutschen im Ausland: _’Wissen Sie, wie einem Deutschen zumute ist. wenn abends Grüße aus der Heimat. aus unserem lieben Vaterland, durch ein deutsches Haus im afrikanischen Busch fluten …“ oder: Tagsüber sind wir in Brasilien. aber wenn das Rufzeichen des Deutschen Kurzwellensenders ertönt, dann fühlen wir uns wie in unserer Heirnat“ oder: ..Durch diese Sendungen habe ich einen unzerstörbaren Glauben an das neue Deutschland und seinen Führer gewonnen … – bis zu: „Dieses Kurzwellensystem stellt die größte potentielle Propagandawaffe dar. die die Welt je gesehen hat…“

Bei allem Jubel um technischen Fortschritt gilt es zu bedenken. wie er mißbraucht werden kann. Im Falle des ehemaligen „verträumten Fischerdörfchens Zeesen“ südlich von Berlin in Verbindung mit Schütte-Lanz und dem Luftschiff- und Flugzeugbau im ersten Weltkrieg, gefolgt vom „Weltrundfunksender Zeesen- als Fernkampfgeschütz“ im zweiten Weltkrieg.

Literatur
(1) Archiv des Verfassers (Angaben ehemaliger Mitarbeiter)
(2) 50 Jahre Kurzwellen-Rundfunk, Sonderdruck 1979 [3] Wortschlacht im Äther, Morgen die ganze Welt, Deutsche Welle

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